Der Widerstand im Bundestags-Immunitätsausschuss gegen eine mögliche Abschaffung des Strafverfolgungsschutzes für Abgeordnete wächst. „Dem Grundgesetz kommt hier auch eine Mahn- und Wächterfunktion zu. Die historisch gut begründete und grundsätzliche Funktion der Immunität ist für die parlamentarische Demokratie so bedeutend, dass ich keinen Änderungsbedarf sehe“, sagte die SPD-Politikerin Christine Lambrecht (SPD) dem in Berlin erscheinenden „Tagesspiegel“ zu Forderungen von Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU), die geltenden Regeln zu streichen.
Lammert: Abgeordneten-Immunität kann abgeschafft werden
„Immunität wird in der Öffentlichkeit häufig als Privileg der Abgeordneten angesehen, ist in Wirklichkeit aber eher eine Belastung, da ein Immunitätsverfahren immer mit erheblicher Publizität verbunden ist, die schnell auch den Charakter einer Vorverurteilung annehmen kann.“ Im Übrigen, so Lammert, handele es sich nicht um eine Bestimmung zum individuellen Schutz von Abgeordneten, sondern um eine Regelung, die die Funktionsfähigkeit des Parlaments sicherstellen solle.
CDU-Politiker Wadephul will Schutz vor Strafverfolgung für Abgeordnete beibehalten
Der Vorsitzende des Bundestags-Immunitätsausschusses Johann Wadephul hat Forderungen von Parlamentspräsident Norbert Lammert (CDU) widersprochen, den im Grundgesetz verankerten Schutz vor Strafverfolgung für Parlamentarier zu streichen. „Ich sehe keinen Grund für Änderungen. Die historische Erfahrung Deutschlands lehrt, wie bedeutsam dieser Schutz für eine funktionierende Volksvertretung ist. Er ist weiterhin sinnvoll“, sagte der CDU-Politiker. „Eine Bloßstellung im Verfahren selbst gibt es nicht“, sagte er. „Soweit öffentliches Interesse geweckt wird, liegt das in dem öffentlichen Amt des Abgeordneten begründet.
„Keine Bloßstellung“ - Vorsitzender des Immunitätsausschusses widerspricht Lammerts Forderung
Dieses Interesse gibt es ohne und mit Immunität.“ Wadephuls Stellvertreterin im Ausschuss Kristina Schröder (CDU), teilt hingegen Lammerts Kritik: Das Immunitätsrecht könne sehr schnell zu einem „Pranger für Abgeordnete“ werden, weil die Aufhebung in einem sehr frühen Stadium der Ermittlungen notwendig sei und dies in der Öffentlichkeit fast immer wie eine Verurteilung wahrgenommen werde. Der Tagesspiegel
Die Unions-Bundestagsfraktion zeigt sich grundsätzlich offen für eine Reform des Immunitätsrechts. Parlamentsgeschäftsführer Bernhard Kaster (CDU) sagte der „Saarbrücker Zeitung“ (Montagausgabe): „Als Privileg, wie man in der Bevölkerung häufig vermutet, empfinden wir Abgeordneten unsere Immunität nicht.“
Union offen für Reform des Immunitätsrechts
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat die Streichung ins Gespräch gebracht. Kaster, der auch Mitglied des Immunitätsausschusses des Bundestages ist, betonte, die Befassung des Parlamentes mit einem Fall mache Abgeordneten oft stärker zu schaffen als das eigentliche strafrechtliche Verfahren. „Zumal es meist um Dinge aus dem Bereich Straßenverkehr geht - wie also bei jedem anderen Bürger auch. Jeder Bagatellunfall wird durch die Immunität dramatisiert“, so Kaster. Auf die Frage, um wie viele Fälle es sich jährlich handele, antwortete Kaster: „Es sind weitaus weniger, als oft angenommen wird.“ Die Aufhebung der Immunität gerate in die Schlagzeilen, wenn der Betroffene eine besondere Prominenz habe oder eine mögliche Straftat besonders gravierend sei. „Das sind aber Einzelfälle.“
Laut Kaster haben sich die Faktionen bereits Gedanken über eine Reform gemacht. Sie sei aber kein einfacher gesetzlicher Vorgang. Denn die Immunität bleibe Voraussetzung für ein freies Parlament. Saarbrücker Zeitung